THW Fahrzeug-News - Moritz der Erste

Beim Ausbildungszentrum des Technischen Hilfswerk in Neu­hausen ist ein neues Einsatzmit­tel in der Erprobung. Eine Berge­raupe mit vielen Möglichkeiten. Das Spektrum soll umfangreich definiert und erprobt werden. Hierzu wurde die Bergeraupe jetzt für 12 Monate gemietet und steht am Ausbildungszen­trum zum Test bereit.

Eine der Grundfähigkeiten des Techni­schen Hilfswerk (THW] ist das Bewegen von Lasten in unterschiedlichen Ausprägungen. Das Spektrum ist jedoch noch ausbaufä­hig, weshalb man beim Ausbildungszent­rum in Neuhausen den Ist-Stand analysiert und die sich daraus ergebenden Möglich­keiten bewertet. Neben wenigen eher im unteren Leistungsspektrum anzusiedelnden Geräten und den in Fahrzeugen montier­ten Seilwinden ist der mittlere Bereich nicht ausreichend belegt. Hinzu kommt dass die leistungsfähigen Winden nicht unbedingt als sehr mobil zu bezeichnen sind. 

 

Neue Seilwinde gesucht

Auch die in den Kfz montierten Winden sind durch die Fahrgestelle eingeschränkt. Der Focus lag somit auf dem Bedarf, eine mobile und gleichzeitig leistungsfähige Winde zu finden. Greifzüge, Flaschenzug oder Spillwinden sind zwar beweglich, haben aber ein eingeschränktes Leistungs­spektrum. Mit Umlenkrollen kann das mög­liche Zuggewicht erhöht werden, es erhöht sich aber der erforderliche Aufwand. Gleiches gilt für die in den Fahrzeugen oder an Anbaukränen verbauten Seilwinden. Die Beweglichkeit wird leicht erhöht aber unterliegt den Einschränkungen durch das Fahrgestell. 
Das Basisfahrzeug des THW, der GKW 1, weist hier keine durchschlagenden Möglichkeiten auf. Einziger Seilwinden­Pluspunkt hierfür: die Geländefähigkeit des Fahrgestells. Alle anderen Fahrzeuge sind nicht flächendeckend mit Seilwinden ausgestattet. Somit suchte man nach anderen Möglichkeiten. 
Im Forstbereich wurde man fündig. Während der Freilandausstellung demo­park 201 7 stellte der Hersteller Pfanzelt aus Rettenbach am Auerberg (Ostallgäu) eine Weiterentwicklung einer sogenannten Fällraupe vor. Kurze Zeit später folgte eine Bergeraupe für die Feuerwehr. Die Seilwin­de auf dem Raupenfahrgestell namens „Moritz" schien auch für das THW geeignet zu sein. Daraus entwickelten sich die ersten Einsatzszenarien. 

  • Windeneinsatz im forstlichen Bereich, z. B. Motorsägen-Ausbildung, Sturmschaden­beseitigung, Sicherheitsfällungen
  • Windeneinsatz in anderen Bereichen z. B. im Gelände, Bergen und Sichern von Fahrzeugen oder Maschinen an Hängen, Ziehen von Leitungen und Behelfsbrücken, Einsatz als Tragseil bei Lastseilbahnen
  • Bewegen von Trümmerteilen und Groß­fahrzeugen
  • Sicherung von Wasserfahrzeugen o. ä.
  • Zugfahrzeug zum Bewegen von Lasten mittels verschiedenen Anschlagpunkten an der Raupe inkl. Anhängerkupplung
  • Transport von Lasten im Gelände
  • Anschlagpunkt für Seilbahnen
  • Betrieb von Geräten mittels Zapfwelle und Dreipunkt-Kraftheber (Kategorie I), z. B. Kehrmaschine, Schneefräse, Pumpen, Schneepflug usw.
  • Sicheres Arbeiten durch Funkfernsteue­rung und große Seillänge

Gemeinsam mit der THW-Leitung wurde die Möglichkeit für eine Erprobung eines solchen Einsatzmittels geschaffen. Da die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten nur erprobt werden sollen, hat man das Gerät für 12 Monate gemietet. Anfang 20 l 9 lieferte der Hersteller Pfanzelt die Bergeraupe mit diversem Zusatzgerät an das  Ausbildungszentrum. 
Der Hersteller wirbt mit folgenden Kurzin­formationen: ,,Bergeraupe - für jeden Einsatz 
Ausgelegt für den schnellen und flexiblen Einsatz, überall dort wo zur Sicherung oder Bergung eine Seilwinde benötigt wird, ist die neue Bergeraupe Moritz das ergän­zende Arbeitsmittel." 

Hohe Geländegängigkeit 

Angetrieben wird Moritz mit einem Ku­bota 4-Zylinder-Dieselmotor, der die 35 PS über eine hydrostatischen, proportiona­len Fahrantrieb auf das Raupenfahrwerk (Gummilaufwerk in AS-Ausführung) über­trägt. Maximal sind 6,5 km/h möglich. Die hydraulische Haltebremse sorgt für den sicheren Halt. Das Raupenfahrwerk von Moritz verfügt über zwei Positionen, um das Optimum für den Einsatz zu erreichen. In Transportstellung ist die Fahrwerksbreite l l 20 mm, Die Breite lässt sich hydraulisch um 400 mm vergrößern, somit erhöht sich das Einsatzspektrum auch in schwierigem Gelände. 
Der Böschungswinkel von 45 Grad frontseitig und am Heck ermöglicht eine hohe Steigfähigkeit und somit auch das einfache Einfahren von befestigten We­gen in unbefestigtes Gelände oder auch Trümmer. In diesem Zusammenhang wirken sich die 300 mm Bodenfreiheit ebenfalls positiv aus, da Hindernisse leicht überfahren werden können. Schäden an der Bodenwanne sind beim überfahren ausgeschlossen, da diese geschlossen und aus Spezialstahl ist. 
Das Fahrwerk in Verbindung mit dem geringen Eigengewicht ergibt einen mini­malen Bodendruck von nur 0,30 kg/cm². Zum Vergleich: bei einer 100 kg schweren Person und Schuhgröße 45 ergeben sich über beide Beine 0, 17 kg/cm2. Diese Bedingungen lassen ein bodenschonendes Fahren, aber auch Manövrieren zu. Durch den Raupenantrieb lässt sich Moritz über gegenläufige Ketten auf der Stelle wenden. Der proportionale Fahrantrieb ermöglicht auch in unwegsamen Gelän­de ein schnelles Vorwärtskommen und damit auch ein zügiges Erreichen des Einsatzgebiets. 

 

Starke Seilwinde

Neben der Forstwinde, die ein Lösen unter Last, jedoch kein kontrolliertes Nachlassen ermöglicht, ist eine zugstarke Rettungs- und Bergeseilwinde vorhanden. Diese lässt sich in ca. 30 Minuten austau­schen. Mit dieser Seilwinde ist ein kontrol­liertes Nach-/Ablassen von Lasten möglich, ähnlich wie beim GKW 1. Die Zugkraft liegt bei 50 kN bei einer maximalen Seillänge von 80 m. Variable Seilgeschwindigkeiten in mehreren Stufen lassen Anpassungen auf den jeweiligen Bedarf zu. Eine Seilein­laufbremse gewährleistet eine saubere Seilaufwicklung. 
Ein Schild an der Front sorgt für einen sicheren Stand beim Arbeiten mit der Seilwinde und lässt eindeutige Schlüsse auf den Ursprung der Multifunktionsraupe, dem Forstbetrieb, zu. Das Heben und Senken erfolgt hydraulisch. Mehrere Haltepunkte am Fahrzeug ermöglichen unter Zuhilfenahme von Seilschlingen eine schnelle zusätzliche Sicherung. Bedienen lässt sich Moritz mit der Funkfernsteuerung. Neben Motorstart und -stopp lassen sich auch Fahrantrieb, Seilwinde, Seilgeschwindigkeit oder auch die Motordrehzahl aus der Ferne bedie­nen. Ebenfalls vorhanden sind eine Tot­mannschaltung und Notausfunktion. Ein Überrollbügel sorgt für den notwendigen Schutz bei einem Unfall. 
Neben den bereits beschriebenen Ein­satzoptionen sollen weitere Möglichkeiten vor allem in den Bereichen Mobilität im Einsatz und das Bewegen von Lasten erprobt werden. Dahinter steckt nicht nur, dass oftmals schweres Gerät über weite Strecken transportiert werden muss, son­dern vor allem auch die Entlastung der Einsatzkräfte bei diesen Tätigkeiten. 
Zum Zubehör gehören verschiedene Anschlagpunkte an der Raupe, aber auch eine Anhängerkupplung, die Moritz auch zum Zugfahrzeug machen. Über die An­schlagpunkte lässt sich die Raupe auch mit einem Kran versetzen oder luftverlasten. Am Fahrzeugheck ist ein Staufach am Chassis montiert. Es ist für THW-Gerätschaften eher etwas klein geraten, aber für Zurrgurte oder Forstzubehör allemal ausreichend. Ange­dacht ist eine Palettengabel für größere Gerätschaften, die am Hubwerk montierte werden kann. Die Gedanken sind hier noch völlig frei. Sofern eine technische Umset­zung möglich ist, werden sicherlich weitere Anbauten getestet. 

 

Viele Einsatzmöglichkeiten

Breite Möglichkeiten ergeben sich sicherlich auch durch die Hydraulikanla­ge der Raupe. Hier ist eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten denkbar. Alle beim THW vorhandenen hydraulischen Geräte können betrieben werden, deren Betriebs- möglichkeiten werden erprobt. Ebenso will man aber auch neue Ansätze wählen, beispielsweise Hochleistungspumpen oder auch Stromerzeuger auf hydraulischer Basis. Die Möglichkeiten werden breit diskutiert, seit das Fahrzeug in Neuhausen auf dem Hof steht. Einige Facharbeitsgemeinschaften (FAG) haben sich ebenfalls bereits mit dem Thema befasst und ihre Gedanken eingebracht. Weitere werden sicherlich folgen. 
Mit ausgeliefert wurde auch ein Forstmulcher, der an der Front montiert ist und über die Zaptwelle angetrieben wird. Auch hier sind bereits die ersten Erprobungen gelau- len. Neben dem Schaffen von Zugängen zu Gewässern, Bahntrassen oder auch Straßenböschungen ist das Freiräumen von Flächen für Bereitstellungsräume oder Lagerplätze ein Einsatzgebiet. Natürlich können die letztgenannten Optionen auch durch eine ausreichende Erkundung umgangen werden, jedoch sind es mögchliche Einsatzszenarien. Weitere Optionen wären auch das Schaffen von bewuchsfreien Streifen bei Wald-, Flächen- oder Moorbränden, ebenso wie der Einsatz bei der Liegenschaftspflege für die THW-Liegenschaften oder auch Übungsgeländen.
Offen ist bei den gesamten Überlegungen auch die Zuordnung des Einsatzmittels zu eine Teileinheit des THW. Hier wäre eine voreilige Entscheidung kontraproduktiv und nicht zielführend zum Grundgedanken der Erprobung. Ebenso sind derzeit noch keine Diskussionen über die Anzahl der Geräte von wirklicher Hilfe, denn genau diese Er- gebnisse werden von der Erprobung erwartet. Auch hier sind alle Gedanken zulässig, wie es am Ende aussieht, wird sich zeigen. Eine Rolle wird in diesem Zusammenhang sicherlich auch der Preis spielen, der nicht unter 50.000 Euro liegen dürfte. 

Von Karl Michael Wiedemann

 

Weitere Informationen, die komplette technische Beschreibung und alle technischen Daten zur Raupe Moritz finden Sie hier.

 

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